
© dpa/Fabian Sommer
Cyberangriff als Ursache ausgeschlossen: Internet, Mails und Drucker im Bundestag außer Gefecht
Ab Montagmittag ging plötzlich nicht mehr viel: Im Bundestag kam es zu massiven Technikausfällen – während des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Berlin. Offenbar steckte ein technisches Problem dahinter.
Stand:
In der Enquete-Kommission Corona wird gerade Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu seiner Maskenbeschaffung befragt, als ein technisches Problem für eine Unterbrechung sorgt. Einigen Mitarbeitern von Abgeordneten war aufgefallen, dass sie den Livestream nicht verfolgen konnten. Kurz stand die Frage im Raum, ob die Befragung von Spahn und weiteren Zeugen unterbrochen werden musste.
Doch die Ausschussvorsitzende Franziska Hoppermann (CDU) konnte beruhigen: Außerhalb des Bundestages war der Stream zu empfangen. Das Problem betraf nur die Bundestagsmitarbeiter.
In der Nacht auf Dienstag wurde dann bekannt: Der Ausfall des Computernetzwerks war nicht die Folge eines Hackerangriffs. „Auslöser war eine Überlastungssituation zwischen den beiden Rechenzentren der Bundestagsverwaltung“, heißt es in einem Schreiben an die Abgeordneten und die IT-Verantwortlichen der Fraktionen. „Es handelt sich um ein technisches Problem, sodass aktuell ein Cyberangriff als Ursache ausgeschlossen werden kann.“
In dem Schreiben heißt es weiter, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sei ebenfalls eingebunden – „auch dort liegen aktuell keine Erkenntnisse zu einem Cyberangriff vor“. Die genaue Ursache des Problems in den Rechenzentren werde noch untersucht.
Keine Erkenntnisse zu einem Cyberangriff
Das Computernetzwerk des Deutschen Bundestags war am Montagnachmittag flächendeckend ausgefallen. Die Nutzer hatten keinen Zugriff auf das Internet und Intranet, auf E-Mail-Postfächer und auf Dateien. Da das Problem ungefähr zeitgleich mit dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) begann, wurde in Medien spekuliert, es könnte sich um eine russische Cyberattacke handeln.
Der Gedanke lag nahe. Erst in der vergangenen Woche war der russische Botschafter in Deutschland ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Die Bundesregierung warf Russland wiederholte Angriffe vor, darunter Desinformationskampagnen, Sabotage und Cyberattacken. Konkret ging es dabei um die Kampagne „Storm 1516“, bei der insbesondere während der letzten Bundestagswahl Fake News über bekannte Politiker verbreitet wurden.
Eine Analyse der deutschen Nachrichtendienste habe belegt, dass dahinter die Moskauer Denkfabrik „Center for Geopolitical Expertise“ stehe, die vom russischen Militärgeheimdienst GRU unterstützt werde, so die Bundesregierung.
Nun also Serverprobleme im Bundestag, von denen Hunderte betroffen sind, während ausgerechnet hochrangige Delegationen aus den USA und der Ukraine in Berlin weilen?
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Experten warnen davor, allzu schnelle Schlüsse zu ziehen. Manuel Atug, Sprecher der AG Kritis, sagte dem Tagesspiegel: „Es kann sich um einen Angriff handeln. Häufig stecken aber auch andere Gründe dahinter.“ Atug erklärte: „Wenn man solche Vorfälle genauer analysiert, kommt man häufig zu dem Schluss, dass es interne Probleme sind, etwa mit der Netzinfrastruktur, der Firewall oder sogar der Hardware.“
Auch der Bundestag war davon schon betroffen – 2017 etwa hatte man dort ebenfalls über einen Hackerangriff spekuliert. Im Anschluss wurde bekannt, dass es sich um ein Hardwareproblem gehandelt hatte.
2015 wiederum war der Bundestag Ziel eines großangelegten Hackerangriffs, bei dem auf mehreren Computern Spionagesoftware installiert wurde. Betroffen war auch das Gerät der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Damals soll die russische Gruppe „Fancy Bear“ hinter dem Angriff gesteckt haben. Übrigens dieselbe Gruppe, die in der vergangenen Woche Thema war, als es im Zusammenhang mit russischen Angriffen auch um eine Attacke gegen die Deutsche Flugsicherung ging.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erklärte auf Tagesspiegel-Anfrage, es sei über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden. Man sei im Austausch. Zuständig für das weitere Vorgehen, auch die Ursachenforschung, sei aber derzeit die Bundestagsverwaltung. (mit dpa)
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